Lawinengefahr und Lawinenschutz – DI Martin Auer

Gastbeitrag zu Lawinengefahr und Lawinenschutz von DI Martin Auer †

Der Originalartikel ist 2002 auf alpinesicherheit.com erschienen und wurde 2022 aktualisiert. Tabellen, Charts und Aufbereitung von Christian Klingler. Der Artikel bezieht sich in einigen Aspekten auf die österreichische Rechtslage, etwa bei der Gefahrenzonenplanung.

Martin Auer †

DI Martin Auer
betrieb ein Technisches Büro für Forst- und Holzwirtschaft, Wildbach- und Lawinenverbauung
und war Bürgermeister von Stanz bei Landeck

Inhalt

Lawinengefahr und Lawinenschutz

Lawine – Definition

Es existieren verschiedene Definitionen einer Lawine. Der österreichische Gesetzgeber definiert sie in folgender Form:

(2) Unter einer Lawine im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Schneemassen zu verstehen, die bei raschem Absturz auf steilen Hängen, Gräben u. ä., infolge der kinetischen Energie oder der von ihnen verursachten Luftdruckwelle oder durch ihre Ablagerung Gefahren oder Schäden verursachen können.
(4) Das Einzugsgebiet einer Lawine im Sinne dieses Bundesgesetzes ist deren Nähr-, Abbruch- und Ablagerungsbereich sowie die Lawinenbahn.

§ 99 Österreichisches Forstgesetz 1975 (BGBl. Nr. 440/1975)

Lawine: Ein Gemisch von mehr oder weniger Luft mit vorwiegend körnigen Schneeteilchen rutscht, fließt, kollert oder stiebt bzw. fällt frei zu Tal und erreicht durch das Zusammenspiel von Masse und Geschwindigkeit seine Zerstörungskraft. Als Lawine bezeichnet man den gesamten Bewegungsvorgang, beginnend mit dem Anbruch des abgelagerten Schnees im Anbruchgebiet.

Durch die vorgegebene Geländeform bestimmt, bewegt er sich dann in der Sturzbahn zu Tal, in der im allgemeinen kein Lawinenschnee liegen bleibt. Erst wenn die Sturzbahn auf längere Strecke ausreichend flach (20° bis 10°) wird, spricht man von der Auslaufstrecke der Lawine. Hier verringert sich die Bewegung bis zum Stillstand und der Lawinenschnee bleibt im Ablagerungsgebiet liegen.

Lawine
Lawine

Lawinenarten – Unterscheidung

Welche Arten von Lawinen kann man unterscheiden? Die Lawinenforscher am Schweizer Institut SLF klassifizieren die Lawinenarten nach der Entstehung.


(Methodik und Quelle: Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung 1989. Klassifikationsschema nach SLF, Illustrationen © Christian Klingler)

Form des Anrisses

Schneebrettlawinen sind meist größer und es kommt dabei meist ein größerer Block gleichzeitig ins Rutschen, Lockerschneelawinen gehen hingegen V-förmig von einem Punkt aus.

Schneebrett

linienförmig, scharfkantig → Schneebrett

Lockerschneelawine

punktförmig → Lockerschneelawine

Form der Bewegung

Die Form der Bewegung der Lawine kann fließend oder stiebend sein:

Fließlawine

vorwiegend fließend → Fließlawine

Staublawine

vorwiegend stiebend → Staublawine

Lage der Gleitfläche

Oberlawine
  • innerhalb der Schneedecke → Oberlawine
Bodenlawine
  • auf dem Boden → Bodenlawine

Feuchtigkeit

Die Schneedecke kann Wasser enthalten – nach der Feuchtigkeit des abgleitenden Schnees kann man unterscheiden:

  • trocken → Trockenschneelawine
  • nass → Nassschneelawine

Form der Bahn

Flächig - Schneebrett
  • flächig (Schneebrett)
Runsenförmig
  • runsenförmig (kanalisiert)

Länge der Bahn

Tallawine
  • Vom Berg ins Tal → Tallawine
Hanglawine
  • Am Hangfuß zum Stillstand kommend → Hanglawine

Art des Schadens

  • Häuser, Güter, Eigentum, Verkehrswege, Wald → Katastrophen- oder Schadenlawine
  • Skifahrer und Bergsteiger im freien Skigelände → Touristen- oder Skifahrerlawine

Art des anbrechenden Materials

  • Schnee → Schneelawine
  • (Gletscher-)Eis → Eislawine (Gletscherabbruch)

Abbruchkriterien

Der Abgang einer Lawine kommt durch ein Zusammenspiel mehrerer komplexer Faktoren zustande:

  • Geländeneigung: ab 20° ist grundsätzlich mit Abgängen zu rechnen. Die Mehrheit der Lawinen lösen sich im Bereich zwischen 30° und 45°. Bei Neigungen über 60° lösen sich Schneemassen bereits bei geringen Schneehöhen, bzw. sacken in sich zusammen.
  • Weitere wichtige Faktoren: Schneehöhe, Schneeart, Wind, Temperatur
  • Aufbau der Schneedecke
  • Beschaffenheit und Bewuchs der (Boden-)Oberfläche

Wind

„Der Wind ist der Baumeister der Lawinen“

Sprichwort

Der Einfluss des Windes stellt einen der wesentlichsten Faktoren bei der Lawinenbildung dar (Windgeschwindigkeit und Windrichtung).

Fallender Schnee wird bereits bei Windgeschwindigkeiten von 4 m/s (15 km/h) verfrachtet. Durch das Schleifen des verfrachteten Schnees wird dessen Dichte um das zwei- bis vierfache erhöht und wird im Lee (windabgewandte Seite) abgelagert (Wechtenbildung und Aufbau einer spröden, schneebrettgefährdeten Schneedecke).

„Im Lee liegt der Schnee“

Sprichwort

Lawinendynamik

Für das Laufverhalten der Lawine sind neben der Zusammensetzung des Schnees noch die Hangneigung, die innerer (turbulente) Reibung und die Bodenreibung maßgeblich. Die Staublawine erreicht ihre maximale Geschwindigkeit etwa in der Mitte ihrer Höhe, die Fließlawine in der Oberfläche.

Löst sich also ein Schneebrett, tritt zunächst eine gleitende Bewegung ein, das Brett zerbricht in einzelne Schollen, aus der sich in der Folge eine knollige, pulvrige oder breiartige Masse bildet. Fließlawinen erreichen bereits nach ca. 20 bis 40 m ihre maximale Geschwindigkeit. Wenn der Schnee trocken und feinkörnig ist, beginnt sich bei etwa 10 m/s (36 km/h) Schneestaub oberflächlich abzuheben. Durch weitere Luftzufuhr und anhaltender Bewegung stieben immer mehr Schneeteilchen in die Luft. Es entsteht eine mächtige Schnee-Staubwolke (Lawinen mit Staubwolken bis zu 200 m wurden beobachtet).

Lawinengeschwindigkeiten

Lawinengeschwindigkeiten verschiedener Lawinenarten: Staublawine 30-70 m/s, trockene Fließlawine 20-40 m/s, nasse Fließlawine 10-20 m/s
Lawinengeschwindigkeiten verschiedener Lawinenarten. Datenquelle: Lawinenhandbuch, Visualisierung Christian Klingler
LawinenartGeschwindigkeit [m/s][km/h]
nasse Fließlawine10 – 20 m/s36 – 72 km/h
trockene Fließlawine20 – 40 m/s72 – 144 km/h
Staublawine30 – 70 m/s144 – 252 km/h
Quelle: Lawinenhandbuch (1996)

Dichte während des Abgangs

Dichte verschiedener Lawinenarten während des Abgangs. Datenquelle: Lawinenhandbuch, Visualisierung Christian Klingler
LawinenartDichte
Staublawine 2 – 15 kg/m3
trockene Fließlawine 50 – 300 kg/m3
nasse Fließlawine 300 – 400 kg/m3
Quelle: Lawinenhandbuch (1996)

Dichte in der Ablagerung

AblagerungDichte
Pulverschnee30 – 60 kg/m3
Nassschnee300 – 600 kg/m3
Abgelagerter Lawinenschnee500 – 800 kg/m3
Gletschereis830 – 900 kg/m3
Quelle: Lawinenhandbuch (1996)

Lawinenkräfte

In Abhängigkeit von der Schneedichte, der Lawinenbahn, der Geschwindigkeit und der Art der Hindernisse erreichen Lawinen sehr hohe Kräfte. Diese lassen sich sehr schwer direkt messen, sie können aber anhand von Schäden abgeschätzt werden.

SchadensausmaßKraft/FlächeKraft [kg/m2]
Fenster gehen zu Bruch1 kN/m2
100 kg/m2
Türen werden eingedrückt5 kN/m2
500 kg/m2
Holzgebäude werden zerstört, Mauern beschädigt30 kN/m2
3000 kg/m2
Baume werden entwurzelt100 kN/m2
10.000 kg/m2
Betonkonstruktionen werden beschädigt oder zerstört1.000 kN/m2
100.000 kg/m2

Schutz vor Lawinen

Permanenter Schutz

Unter permanentem Schutz versteht man technische, forstlich-biologische und raumplanerische Maßnahmen, sowie die Aufklärung von betroffenen und interessierten Personenkreisen über Schnee- und Lawinenvorgänge.

Technische Maßnahmen

Nach der Örtlichkeit der Verbauung unterscheidet man zwischen Verbauungen im Anbruchgebiet und im Auslaufgebiet.

Verbauungen im Anbruchgebiet

Stützverbauung – Aufgabe und Wirkung

Aufgabe der Stützverbauung ist es, das Anbrechen von Lawinen zu verhindern, oder zumindest entstehende Schneebewegungen – sie können nicht vollständig unterbunden werden – auf ein unschädliches Maß zu beschränken.

Voll entfaltete Lawinen entwickeln Kräfte, die von den Stützverbauungen nicht aufgenommen werden können. Deshalb werden die obersten Werksreihen, sowie die Randwerke stärker dimensioniert. Die Stahlschneebrücken werden meist nach den Schweizer Richtlinien für den Lawinenverbau im Anbruchgebiet [EISLF1990] dimensioniert.

Die Wirkung der Stützverbauung beruht darauf, dass der kriechenden und eventuell gleitenden Schneedecke eine im Boden verankerte, mehr oder weniger hangsenkrechte, bis an die Schneeoberfläche reichende Stützfläche entgegengestellt wird. Dadurch entsteht eine Art Stauwirkung. Innerhalb der Stauzone, die praktisch über eine hangparallele Distanz von mindestens der dreifachen lotrechten Schneehöhe reicht (wesentlich abhängig von der Gleitbewegung), entstehen im Schnee zusätzlich hangparallele Druckspannungen.

Foto Stützverbauung - Anbruchgebiet
Die Stützverbauung beschränkt flächenmäßig das Gebiet, über welches sich Scherrisse fortpflanzen können

Diese werden von den Stützflächen aufgenommen, wodurch die im Staubereich liegenden vor der Abstützung vorhandenen schneebrettbildenden Scher- und eventuell Zugspannungen vermindert werden. Bei Abbrüchen verhindert die Stützverbauung das Mitreißen der Altschneedecke und beschränkt flächenmäßig das Gebiet, über welches sich Scherrisse fortpflanzen können. Durch die Bremswirkung der Werke wird die Geschwindigkeit, die für eine Schadenwirkung – neben der Schneemenge – maßgebende Größe, in Schranken gehalten. Zudem wirkt sich auch das Auffangvermögen der Stützwerke günstig aus. (Eidgenössisches Institut für Schnee – und Lawinenforschung – 1990)

Die obersten Werke eines Hanges, bei dem mit starker Wechtenbildung zu rechnen ist, sind möglichst nahe an den Wechtenfuß zu stellen, ohne dass dieser mit einbezogen wird. Gegebenenfalls kann die Wechtenbildung durch eine Verwehungsverbauung verhindert werden.

  • Verwehungsbauten werden zur Schneeentlastung verbauter Anbruchgebiete verwendet (bei hangstreichender Windrichtung auf Geländerücken).
  • Schneezäune dienen vorwiegend zur Ergänzung einer funktionierenden Anbruchverbauung. Die Schneeverfrachtung kann hier gesteuert werden.

Verbauungen im Auslaufgebiet

Mit Verbauungen im Auslaufgebiet wird die auslaufende Lawine in ungefährliche Bereiche abgelenkt oder aufgefangen. Aulaufverbauungen können Ablenkdämme, Auffangdämme sowie Bremshöcker sein.

Einfache Berechnung der Dammhöhen:
Wenn man die gewählte Dammhöhe als Energiehöhe h annimmt, so errechnet sich daraus überschlägig, dass Lawinen bei der Geschwindigkeit v zum Stillstand gebracht werden können:

Formel: h = v² / 2g und v = Wurzel aus 2gh
h = v² / (2 ⋅ g), und v = √ (2 ⋅ g ⋅ h)

h Energiehöhe
v Geschwindigkeit in m/s
g Erdbeschleunigung

Straßenbereiche in Lawinenbahnen können durch Galerien oder Rohrbrücken gesichert werden.

Forstlich-biologische Maßnahmen

Aufforstung

Grundsätzlich gilt ein mehrstufiger und geschlossener Waldbestand als bester Schutz vor Lawinenanbrüchen. Ziel muss es daher sein, bestehenden Wald in Lawinenbereichen zu erhalten, unbewaldete Flächen im Schutz von Anbruchsverbauungen aufzuforsten bzw. bestehende Wälder in Lawinenanbruchgebieten zu sanieren. Faktoren wie Niederschlag, Temperaturklima, Bio- und kleinklimatische Standorteinheiten (Frosttrocknis, Bewindung, Langschnee etc.) bedürfen einer besonderen Berücksichtigung.

Festlegung der Aufforstungsgrenzen

In seinem Standardwerk zu Waldbau [MAYER1991] hat Hannes Mayer die obere Aufforstungsgrenze – natürlich unter Berücksichtigung der verschiedenen Waldgrenztypen – bei der Baumart Zirbe mit 2.200 m festgelegt. Die potenzielle Waldgrenze liegt um bis zu 50 m tiefer, da in den obersten Regionen die Ausfälle am größten sind. Nach Berücksichtigung der Bodentemperatur, der Schneehöhen, Windwirkung usw. kann nach Auswahl geeigneter Plätze mit der Aufforstung begonnen werden.

HangneigungAnzahl Pflanzen / ha
30°500
40°1000

Der Lawinenschutz in höheren Anbruchsgebieten kann durch forstlich-biologische Maßnahmen nur bedingt verbessert werden.

Lawinengefahr und Lawinenschutz: Aufforstung Venet Süd
Aufforstung im Bereich Venet Süd, Gemeinde Fließ

Raumplanerische Maßnahmen

Gefahrenzonenpläne (GZP)

Die Abgrenzung der Gefahrenzonen erfolgt in den Grenzen des für den Zeitpunkt der Erhebung im jeweiligen Einzugsgebiet verfügbaren Katastrophenpotenzials unter Berücksichtigung eines Ereignisses mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von etwa 150 Jahren. Zweck der Ausarbeitung eines Gefahrenzonenplanes (GZP) ist die flächenhafte Feststellung der Gefährdung von Örtlichkeiten durch Wildbäche und Lawinen.

Österreichisches Forstgesetz 1975, sowie die Gefahrenzonenplan-Verordnung (BGBl. Nr. 436/1976)
Gefahrenzonenplan für die Gemeinde Kappl (Tirol) online auf TIRIS Maps, Quelle: Screenshot
Gefahrenzonenplan für die Gemeinde Kappl (Tirol) online auf TIRIS Maps, Quelle: Screenshot

Der Gefahrenzonenplan (GZP) ist eine wesentliche Grundlage für die Raumplanung, hauptsächlich hinsichtlich der Steuerung der Siedlungstätigkeit. Der GZP besteht aus einem kartographischen Teil (Gefahrenkarte 1:25.000 oder 1:50.000 und der Gefahrenzonenkarte 1:1000 oder 1:5000) und einem textlichen Teil.

  • Rote Zone 
    Lawinenkräfte > 10 kN/m2 sind in diesem Bereich zu erwarten (entspricht „Lawinenerlass“ BMLF – urspr. Kräfte 25 kN/m2): Die „rote Gefahrenzone“ umfasst Flächen, die derart gefährdet sind, dass ihre ständige Benutzung für Siedlungs- und Verkehrszwecke wegen der voraussichtlichen Schadenswirkung des Bemessungsereignisses nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Obwohl der GZP nur den Rang eines Gutachtens hat, sind nach den Landes- und Raumordnungsgesetzen die roten Zonen von einer Widmung als Bauland auszuschließen.

„Die rote Gefahrenzone umfasst Flächen, die derart gefährdet sind, dass ihre ständige Benutzung für Siedlungs- und Verkehrszwecke nicht möglich ist“

Martin Auer
  • Gelbe Zone
    Lawinenkräfte 1 kN/m2 bis 10 kN/m2 sind in diesem Bereich zu erwarten (entspricht „Lawinenerlass“). Die „gelbe Zone“ umfasst alle übrigen durch Wildbäche und Lawinen gefährdeten Flächen, deren ständige Benutzung für Siedlungs- und Verkehrszwecke beeinträchtigt ist. Um durchaus mögliche Gebäudeschäden gering zu halten, sollte die Baubehörde im Bewilligungsverfahren besondere Auflagen vorschreiben und deren Einhaltung überprüfen. Dabei kann es sich um tiefreichende Fundamente, verstärkte Grundmauern, eine erhöhte Lage des Erdgeschosses sowie um hangseitig und/oder dem Wildbach bzw. Lawinenstrich zugekehrte Außenmauern oder Wandöffnungen. Hinzu kommen Grobsteinwürfe oder Prallmauern, die dem Gebäude vorgelagert sind.
  • Blaue Vorbehaltsbereiche
    in der Gefahrenzonenkarte werden entweder für die Durchführung von technischen bzw. forstlich biologischen Schutzmaßnahmen des forsttechnischen Dienstes sowie zur Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit dieser Maßnahmen benötigt oder dienen zur Sicherstellung einer Schutzfunktion bzw. eines Verbauungserfolges, wozu sie einer besonderen Art der Bewirtschaftung bedürfen.
  • Braune Hinweisbereiche
    markieren Flächen, die vermutlich von anderen als Wildbächen und Lawinen ausgehende Naturgefahren, wie Steinschlag, Rutschungen, bedroht sind.
  • Violette Hinweisbereiche
    sind Flächen, deren Schutzfunktion von der Erhaltung des Bodens und der Geländebeschaffenheit abhängig ist (Leitdämme für Wildbäche und Lawinen).
Blaue Vorbehaltsbereiche, braune und violette Hinweisbereiche in den Gemeinden Grins und Pians (Tirol) online auf TIRIS Maps
Blaue Vorbehaltsbereiche, braune und violette Hinweisbereiche in den Gemeinden Grins und Pians (Tirol) online auf TIRIS Maps, Quelle: Screenshot

Kurz zusammengefasst bedeutet „rote Zone“ eine Bausperre und „gelbe Zone“, dass Bauen nur mit Auflagen möglich ist.

Erstellung der Gefahrenzonenpläne

Grundlage für die Erstellung der Gefahrenzonenpläne sind – wie bei jedem fachlichen Gutachten – vielfältige verfügbare Datenquellen: Chroniken und historische Berichte, Luftbilder, meteorologische Daten oder Simulationsmodelle (z.B. Modell Samos – FBVA/AVL-List Verwendung beim forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung, Modell Elba II – Boku Wien).

TIRIS Raumordnung Naturgefahren Lawine Gefahrenzonenplan
Gefahrenzonenplan Ischgl mit Orthofoto im Hintergrund ©TIRIS

Tiroler Raumordnungsgesetz

Das Tiroler Raumordnungsgesetz definiert Bauland mit Bezug auf Naturgefahren wie Lawinen:

(2) Grundflächen, deren Eignung als Bauland insbesondere unter Bedachtnahme auf Gefahrenzonenpläne wegen einer Gefährdung durch Lawinen, Hochwasser, Wildbäche, Steinschlag, Erdrutsch oder andere Naturgefahren nur unter der Voraussetzung einer bestimmten Anordnung oder baulichen Beschaffenheit von Gebäuden oder sonstiger baulicher Vorkehrungen im Bereich von Gebäuden gegeben ist, dürfen nur dann als Bauland gewidmet werden, wenn sie innerhalb eines bestehenden zusammenhängenden Siedlungsbereiches oder unmittelbar im Anschluss daran gelegen sind und das Bauland dadurch nicht in Richtung stärker gefährdete Bereiche erweitert wird.

Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 (TROG 97) §37 Bauland

Temporärer Schutz

Unter temporärem Schutz versteht man Maßnahmen, die kurzfristig durchgeführt werden – auf Zeit, Ort und Ausmaß der Lawinengefahr abgestimmt. Die Beurteilung der Lage obliegt der Lawinenkommission vor Ort und dem jeweiligen Lawinenwarndienst (in Tirol seit 1960).

Temporärer Lawinenschutz: Lawinensperre - gesperrter Weg
Temporärer Lawinenschutz: Lawinensperre – gesperrter Weg

Temporärer Schutz kann verschiedene Maßnahmen bedeuten, etwa:

  • Künstliche Lawinenauslösung
    Hier wird einerseits die Abgangbereitschaft der Lawinen getestet, andererseits können Lawinen kontrolliert entschärft werden.
    Konventionelle Lawinenauslösung geschieht häufig noch mit Sprengstoff. Daneben existieren auch Lawinenauslöseanlagen, die mit Hilfe von Flüssiggas eine Druckwelle aufbauen (Gaz.ex) oder auf eine Wasserstoff-Sauerstoffreaktion aufbauen (Daisybell). Die Sprengung geschieht oft vom Hubschrauber, über Sprengseilbahnen) oder über stationäre Anlagen.
  • Warnung
  • Sperre
  • Evakuierung
    Die Warnung vor bestehenden Lawinenabgängen gehört ebenso zu diesen Maßnahmen wie die Sperre einer Straße oder eines gefährdeten Gebietes.

All diese Maßnahmen und Unterlagen können Expert:innenwissen nicht ersetzen.

DI Martin Auer

Verwendete Literatur:

[LAWINENHANDBUCH]
Karl Gabl (Hrsg.), Bernhard Lackinger (Hrsg.)
Lawinenhandbuch
Hrsg. v. Land Tirol, Tyrolia Verlag, Innsbruck – Wien 1996/2000, ISBN 978-3-7022-1958-1

AUER, Martin
Grundlagen für das Verbauungsprojekt Stockibach Lawine
Gemeinde St. Anton, Bezirk Landeck, Diplomarbeit 1997

AULITZKY, H. et al
Studienblätter zur Vorlesung
Grundlagen der Wildbach- und Lawinenverbauung
Institut für Wildbach- und Lawinenschutz; BOKU Wien 1987/88

[EISLF1990]
Eidg. Institut für Schnee- und Lawinenforschung
Lawinenverbau im Anbruchgebiet, Richtlinien des Eidg. Oberforstinspektorates für den Stützverbau
Mitteilung des EISLF, Nr. 29 – 1968, Neuauflage 1990

[FORSTGESETZ]
Republik Österreich
Forstgesetz (1975)
ris.bka.gv.at

INSTITUT FÜR WILDBACH- UND LAWINENSCHUTZ, 1999: Lawinengefahren und Lawinenschutz

[MAYER1991]
MAYER, H., OTT, E. 1991:
Gebirgswaldbau – Schutzwaldpflege (vergriffen)
Elsevier Verlag Urban & Fischer

[LAWINE2018]
MAIR, Rudi, NAIRZ, Patrick
lawine. Die entscheidenden Probleme und Gefahrenmuster erkennen
Tyrolia Verlag 2018, ISBN 978-3-7022-3504-8

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